Soziale Eiszeit durch TTIP?

Veröffentlicht am 05.09.2015 in Ortsverein

Droht dauerhaft soziale Kälte durch TTIP? Foto: H. Hauke

TTIP erreicht nun auch die Kommunen. So muss sich auch Emmendingen Gedanken zum Umgang mit dem vorgesehenen Handelsabkommen mit den USA machen.

 

Bereits mit dem GATS Abkommen (Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) wurde versucht, privaten Anbietern einen Markt zu bieten und nicht-tarifäre Handelshemmnisse abzubauen. Nicht tarifäre Handelshemmnisse sind beispielsweise die Reglementierung der Berufsausbildung, das Primat der Politik im Bildungsbereich generell, dass Autos zum TÜV müssen oder die Kennzeichnung von Inhaltsstoffen in Nahrungsmitteln. Dies steht bei den geheimen TTIP Verhandlungen nun auf dem Prüfstand.

In Europa ist die Bildungslandschaft grundsätzlich anders gestaltet als in Amerika. Erwähnt sei nur die Kultushoheit der Länder oder der Anspruch der Politik, dass allen unabhängig vom Einkommen gleiche Bildungschancen geboten werden sollen. Auch Integration und Inklusion können nicht durch Abbau von Handelshemmnissen nach den Prinzipien der Gewinnmaximierung von privaten Anbietern umgesetzt werden. In den USA ist "Bildung" eine Ware, die bezahlt werden muss. Viele Studierende verschulden sich deshalb während des Studiums erheblich, um eine möglichst gute, sprich teure, Ausbildung zu bekommen. Als Hochschulabsolventen sind sie nach ihrem Studium dann hoch verschuldet, wobei anders als früher, heute gutdotierte Jobs nicht mehr ausreichend vorhanden sind. Diese Entwicklung könnte nun nach Einschätzung von Experten durch TTIP nach Europa und somit Deutschland importiert werden. Ausländischen Firmen, die auf Gewinnmaximierung aus sind statt auf Förderung gemeinnützigen und sozialer Zielsetzungen, müsste gleichberechtigter Zugang zum Markt gegeben werden, die Priorität eines auf Chancengleichheit ausgerichteten Bildungssystems würde auf der Strecke bleiben.

Kritisiert wird auch zunehmend, dass Verhandlungsunterlagen und Dokumente nicht öffentlich gemacht werden. Sie liegen noch nicht einmal der Bundesregierung oder den befassten Gremien in den Ländern vor. 

Probleme:

Unversöhnlich scheinen die Auseinandersetzungen in Bezug auf "Positivlisten bzw. Negativlisten" zwischen Europa und den USA zu laufen:

  • Positivliste = USA: alles ist erlaubt, bis auf das, was ausdrücklich verboten ist. Staat soll sagen, was verboten sein soll;
  • Negativliste = Europa/Deutschland: alles ist verboten bis auf das, was ausdrücklich erlaubt ist. 

Das Problem bei einer Positivliste, die in Wirklichkeit negativ für freie Entscheidungsprozesse im Rahmen von demokratischen Strukturen ist, bestaht darin, dass alles, was verboten und untersagt werden soll detailliert und möglichst exakt genannt werden muss. Wird etwas vergessen, ist es automatisch erlaubt. Probleme können auch durch die Begrifflichkeit entstehen. Wird etwas benannt ist noch lange nicht gesagt, dass alle auch das gleiche darunter verstehen. Es besteht deshalb die große Gefahr, dass es bei den eigentlich untersagten, weil verboten genannten Dingen, zu langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen wird, um juristisch zu prüfen, was eigentlich gemeint sein könnte. Dies kann dazu führen, dass bestimmte, eigentlich vereinbarte Verbote aus Angst vor gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht durchgesetzt werden. Dies dürfte dann vor allem die Rechte von Bürgern, einzelnen und sozial Schwächeren betreffen.

  • Drohkulisse wird aufgebaut durch TTIP: Pol. Entscheidungsgremien könnten dazu neigen, Entscheidungen im Interesse von Bürgern aus Angst vor den Bestimmungen von TTIP nicht zu treffen.
  • Unklare Begrifflichkeiten lassen befürchtet, dass sinnvolle Gesetze aus Angst vor Verfahren im Rahmen von TTIP nicht auf den Weg gebracht werden.
  • Schiedsgerichtsverfahren: bisher Schutz in diktatorischen Staaten vor Willkür, jetzt Klage auf Schadensersatz, wenn Erwartungen der Firmen (z.B. Gewinnerwartungen) durch Maßnahmen der Regierung nicht erfüllt werden!
  • TEC Transatlantic Economic Council, gegr. 2007, zuständig für Abbau von Handelshemmnissen => wofür braucht man dann TTIP?

TTIP und CETA müssen von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Problem ist die Paketlösung, Änderungen sind dann nicht mehr möglich, Änderungen müssten jetzt verhandelt werden, aber TTIP ist nicht öffentlich, keiner weiß, was genau in TTIP steht, weil die Amerikaner die Informationen nicht rausgeben. Deutschland sollte darauf bestehen, dass die USA die Infos veröffentlichen.

Ziel: Erhalt von demokratischen Entscheidungsprozessen! Im Rahmen demokratischer Institutionen muss weiterhin entschieden werden können, was wie und in welchem Umfang gefördert werden soll.

Beispiel Bauausschuss eines Kreises: Mitglieder kommen zusammen und beschließen über Auftragsvergabe, müssen jedoch immer den billigsten nehmen. Kriterien wie Zuverlässigkeit, Förderung lokaler Unternehmen, Anreisewege und damit Umweltverträglichkeit können nicht berücksichtigt werden.

„Annex 2“ von TTIP beinhaltet eine Liste für "Politikspielraum“, das darf aber kein Annex, sondern muss das Zentrum politischer Entscheidungsfreiheit eines demokratischen Staates sein.

Forderung der Kultusministerkonferenz

Zusatzprotokoll für Kulturdienstleistungen:

  • Positivlistenansatz
  • Subventionsausnahme für Kultur- und Bildungsdienstleistungen als Bereich der Daseinsvorsorge (= GATS Status quo)
  • Keine Investoren-Staat-Schiedsgerichtsverfahren (ISDS)

Umgang der Amerikaner mit den Europäern unbefriedigend: USA binden niemanden in den Entwicklungs- und Entscheidungsprozess ein, verweigern die Vorlage von Unterlagen und Konzepten und präsentieren dann am Ende die fertige Vereinbarung, bestehend aus tausenden von Seiten ohne Zeit einzuräumen für die nationale Diskussion.

Artikel: H. Hauke

 

Homepage SPD OV Emmendingen